08 Mai 2014

Europawahlprogramme (3): Umwelt, Klima, Energie

Ob Finanzkrise, Klimawandel, Außenpolitik, Migration oder die Zukunft der Demokratie: Die EU ist in so vielen Bereichen aktiv, dass es keinen Grund gibt, vor der Europawahl auf nationale Nebenschauplätze auszuweichen. In einer Serie werden hier die Vorschläge verglichen, die die großen europäischen Parteien in ihren Wahlprogrammen formuliert haben – die christdemokratische EVP (Manifest/Aktionsprogramm), die sozialdemokratische SPE, die liberale ALDE, die grüne EGP und die linke EL. (Zum Anfang der Serie.)

Mehr erneuerbare Energien wollen alle europäischen Parteien. Allerdings werden dabei nicht alle gleich konkret.
Kaum ein anderes Politikfeld ist so offensichtlich grenzüberschreitend wie der Umwelt- und Klimaschutz. In den letzten Jahren fand dieses Thema zwar in den Medien nicht ganz so viel Aufmerksamkeit wie etwa die Eurokrise. Dennoch ist klar, dass der Kampf gegen die Erderwärmung letztlich nur auf überstaatlicher Ebene erfolgreich sein kann – und dass dabei die Politik der Europäischen Union eine zentrale Rolle spielt. Entsprechend räumen auch die großen europäischen Parteien dem Thema in ihren Wahlprogrammen einen wichtigen Stellenwert ein: Unter allen herrscht dabei Einigkeit, dass eine nachhaltige Energiepolitik und mehr Ressourceneffizienz zentrale Zukunftsaufgaben sind.

Im Detail allerdings unterscheiden sich die Argumente der Parteien durchaus. So wollen Liberale und Christdemokraten „weniger abhängig von Importen fossiler Brennstoffe werden“ (EVP), während die Europäische Linke die Ökologie vor allem als „eine Angelegenheit von Volkssouveränität und Demokratie“ betrachtet. Am ausführlichsten aber beschäftigen sich die Grünen mit dem Thema, bei denen die Warnung vor einem „katastrophalen Klimawandel“ bereits nach wenigen Absätzen zum ersten Mal erscheint; insgesamt kommt das Wort im Wahlprogramm der EGP nicht weniger als zwanzig Mal vor.

Emissionsziele

Auch bei den konkreten Forderungen zeigen sich diese Nuancen. So stimmen wiederum alle Parteien überein, dass die EU ihre Kohlenstoffemissionen weiter reduzieren muss. Nur die Grünen nennen dabei jedoch konkrete Werte: Gegenüber den Werten von 1990 wollen sie die Emissionen bis 2020 um 30% reduzieren (statt, wie derzeit vorgesehen, um 20%), bis 2030 um 55%, und 2050 soll eine „komplett CO2-emissionsfreie Wirtschaft und Gesellschaft“ erreicht sein. Hierfür soll das europäische Emissionshandelssystem (ETS) „radikal reformiert werden“. Falls dies scheitert, will die EGP „nationale CO2-Mindestpreise“ einführen.

Demgegenüber bleiben die anderen Parteien deutlich allgemeiner. Auch die EL kritisiert die schlechte Arbeitsweise des ETS, nennt aber keine Alternativen dazu. Die ALDE hingegen ist „für ein funktionierendes Emissionshandelssystem“ und will es „als einen Motor für Innovationen und energieeffiziente Lösungen ausbauen“, da ein „effektiver und gut funktionierender Kohlenstoffmarkt […] der Schlüssel zur kostenwirksamen Verringerung von Treibhausgasemissionen“ sei. Die SPE fordert „weitergehende verbindliche Zielwerte für die Senkung von Treibhausgasen“, nennt dazu aber keine Zahlen.

Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Ein ähnliches Muster zeigt sich bei der Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Auch hier sind sich alle Parteien im Grundsatz einig: Die SPE fordert „weitergehende verbindliche Zielwerte für […] die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien und die Verbesserung der Energieeffizienz“; die ALDE will, „dass sich die Mitgliedstaaten und die Europäische Union gemeinsam bemühen, die Energieeffizienz zu erhöhen“ und „auf eine kohlenstoffarme Energieerzeugung umzustellen“, und zwar unter anderem durch „eine noch stärkere Nutzung erneuerbarer Energieträger“. Auch die EVP ist für „eine Abkehr von unserer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen“. Erneut sind jedoch die Grünen die Einzigen, die konkrete Zahlen nennen: Bis 2030 wollen sie den Energieverbrauch um 40% senken; erneuerbare Energien sollen dann 45% des Energieverbrauchs ausmachen.

Erreichen will die EGP dies durch die Förderung grüner Technologien und ein Ende der öffentlichen Subventionen und Investitionen in fossile Energieträger. Rundheraus verbieten wollen die Grünen die Schiefergasförderung; außerdem setzen sie sich für „frackingfreie Regionen in Europa“ ein. Und natürlich spricht sich die EGP für „eine Abschaltung aller Nuklearkraftwerke in Europa“ aus: Auch hierzu sollen vor allem Subventionen gekürzt werden, insbesondere indem Kraftwerksbetreiber bei Atomunfällen künftig voll haftbar gemacht werden sollen. Ein „besonderer Stellenwert“ kommt der EGP zufolge außerdem der „Schaffung einer europäischen Gemeinschaft für erneuerbare Energien“ zu. (Was es damit genau auf sich haben soll, verrät das Programm allerdings nicht. Der interessierte Wähler muss erst selbst ein wenig im Internet suchen, bevor er schließlich zum Beispiel hier fündig wird.)

Ähnlich konkrete Forderungen finden sich bei den übrigen Parteien kaum. Am weitesten gehen noch die Liberalen, die sich ebenfalls dafür aussprechen, „umweltschädliche Subventionen stufenweise abzubauen, einschließlich jener für die Erzeugung und den Verbrauch fossiler Brennstoffe“. Zugleich unterstützt die ALDE – als einzige Partei – explizit die Förderung der umstrittenen „Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung“. Ein gemeinsames Ziel von EGP, ALDE und EVP ist schließlich der Ausbau der gesamteuropäischen Stromnetze, um dadurch die Energieversorgung effizienter und zuverlässiger zu machen. In diesem Fall sind es ausnahmsweise die Christdemokraten, die als Einzige konkrete Zahlen nennen: „Keine Region und kein Mitgliedstaat sollte nach 2015 nicht an die europäischen Netze angeschlossen sein.“

Energiepreise

Dass die Energiewende auch Geld kostet, beschäftigt vor allem die beiden größten Parteien: Sowohl SPE als auch EVP betonen, dass trotz des Kampfes gegen den Klimawandel die Energiepreise nicht zu sehr steigen sollen. Dabei machen sie allerdings einen interessanten Unterschied bei der Schwerpunktsetzung: Während die SPE „Energiearmut bekämpfen und einen Mindestzugang zu Energie für alle garantieren“ möchte, hat die EVP eher das Wohlergehen der europäischen Unternehmen auf dem Weltmarkt im Blick: In ihren Augen bedeuten die hohen Energiepreise in Europa „einen wesentlichen Wettbewerbsnachteil für die europäische Industrie und eine zunehmende Belastung für KMU und Privathaushalte“.

Die wichtigste Lösung ist für die EVP dabei die „Diversifizierung unserer Energiequellen“ sowie „eine Vollendung des Binnenmarkts für Energie […], um die Energiepreise wirksam zu senken“. Darüber hinaus deuten die Christdemokraten allerdings auch an, dass sie aus Sorge um das ökonomische Wohlergehen durchaus zu Abstrichen bei der Energiewende selbst bereit sind. Insbesondere machen sie die Übernahme ambitionierterer Klimaziele explizit von deren wirtschaftlichem Nutzen abhängig: „Bindende, gleichzeitig jedoch realistische Zielvorgaben auf EU-Ebene für das Jahr 2030 könnten in denjenigen Politikbereichen vorgeschlagen werden, in denen sie für nachweislichen Mehrwert im Hinblick auf Anlegersicherheit und Kosteneffizienz sorgen.“

Grüne Investitionen

Auch die Frage, wie grüne Technologien gefördert werden können, beantworten die Parteien unterschiedlich. Am radikalsten ist dabei die Europäische Linke, die die „Verwirklichung des ökologischen Wandels“ im Zusammenhang mit ihrer Forderung nach einer „Wiederübernahme strategischer Sektoren durch den Staat“ erwähnt. Sozialdemokraten und Liberale haben vor allem öffentliche Investitionen im Blick. Die SPE unterstützt „die Einführung von Projektbonds zur Finanzierung sinnvoller Investitionen in die Grüne Wirtschaft, in Erneuerbare Energie und Erneuerbare Technik“, die ALDE will eine „Verlagerung von EU-Förderungen im Rahmen von Struktur- und Kohäsionsfonds auf Forschung und Investition in zukunftsorientierte Branchen wie den Bereich der erneuerbaren Energie“.

Die EVP hingegen setzt vor allem auf den privaten Sektor. Worum es ihr geht, sind „Chancen für die Unternehmen in Europa, neue nachhaltige Technologien zu entwickeln, die neue Arbeitsplätze schaffen, unsere Abhängigkeit von Energieimporten senken und dazu beitragen können, eine glaubwürdige europäische Politik im Kampf gegen den Klimawandel umzusetzen“.

Die Grünen schließlich präsentieren ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Geht es nach ihnen, sollen künftig „Ressourceneffizienz und ökologische Innovation den Politiken und Investitionsentscheidungen in allen wirtschaftlichen Sektoren zugrunde liegen“. Ähnlich wie die EVP setzen sie dabei auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und streben an, dass „Industrie und Handwerk wichtige Partner bei dieser innovationsorientierten grünen Transformation werden“. Erreichen wollen sie dies durch unter anderem durch Regeln, die Ökodesign fördern, einen verbesserten Zugang zur öffentlichen Auftragsvergabe, klare Regeln für staatliche Unterstützung, private Investitionen, Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie Kooperativen, bessere Finanzierung von Forschung, Entwicklung und Bildung, Förderung des UnternehmerInnentums insbesondere auch des SozialunternehmerInnentums, gute Beziehungen zwischen den Tarifpartnern, Demokratie am Arbeitsplatz und die Bekämpfung der Durchsetzung einseitiger unternehmerischer Eigeninteressen“. Als einzige Partei setzt die EGP zudem einen Schwerpunkt auf die europäische Verkehrspolitik, wo sie durch grenzüberschreitende Eisenbahnverbindungen, energieeffiziente Autos sowie mehr öffentliche Verkehrsmittel den Ressourcenverbrauch verringern will.

Umweltschutz global

Einigkeit zwischen EVP, SPE und EGP besteht schließlich auch darüber, dass Umweltpolitik keine rein europäische Angelegenheit ist: Alle drei Parteien wollen „weltweit eng mit unseren Partnern zusammenarbeiten“ (SPE), um eine „globale Lösung für den Klimawandel“ (EVP) zu erreichen.

Am konkretesten werden dabei erneut die Grünen, die sich dafür aussprechen, alle bestehenden UN-Umweltagenturen zu einer „Weltumweltorganisation“ zusammenzulegen. EVP und SPE hingegen scheinen den globalen Umweltschutz eher als eine Art Wettbewerb zu sehen: In ihren Augen soll die EU „beim Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen sowie im Kampf gegen Umweltverschmutzung und den Klimawandel wieder eine weltweite Führungsrolle übernehmen“ (SPE) bzw. „auf diesem Gebiet Weltmarktführer bleiben“ (EVP).

Fazit

Bei der Klima- und Umweltpolitik sind sich die europäischen Parteien im Grundsatz weitgehend einig. Profilieren kann sich jedoch vor allem die EGP, deren Wahlprogramm zu diesem Thema nicht nur etwas über diejenigen der übrigen Parteien hinausgeht, sondern auch deutlich konkreter die angestrebten Ziele und Mittel nennt. Ansonsten zeigt sich ein leichter Links-Rechts-Gegensatz: Während SPE, aber auch ALDE bei der Förderung umweltfreundlicher Technologien auf öffentliche Investitionen setzen, hat die EVP vor allem die Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen im Blick – und legt auch Wert darauf, dass die Energiewende nicht zu einem Wettbewerbsnachteil für die europäische Industrie werden soll.


Bild: By Eclipse.sx (Own work) [CC-BY-SA-3.0 or GFDL], via Wikimedia Commons.

1 Kommentar:

  1. Das mit den EU Förderungen ist halt immer so ein Thema... Keiner weiß genau wo man sie bekommt und zu welchen Bedingungen. Aber grade für "grüne" Technologien und Projekte im weitesten Sinn sollte man auf jeden Fall schauen, dass Finanzierungsmöglichkeiten vorhanden sind.

    AntwortenLöschen

Kommentare sind hier herzlich willkommen und werden nach der Sichtung freigeschaltet. Auch wenn anonyme Kommentare technisch möglich sind, ist es für eine offene Diskussion hilfreich, wenn Sie Ihre Beiträge mit Ihrem Namen kennzeichnen. Um einen interessanten Gedankenaustausch zu ermöglichen, sollten sich Kommentare außerdem unmittelbar auf den Artikel beziehen und möglichst auf dessen Argumentation eingehen. Bitte haben Sie Verständnis, dass Meinungsäußerungen ohne einen klaren inhaltlichen Bezug zum Artikel hier in der Regel nicht veröffentlicht werden.